Mittwoch, 19. Dezember 2012

Nicht Pressen

Ich habe ein Becken aus Plastikknochen, das genau einem echten Becken einer Frau entspricht. Eine Puppe besitze ich auch die ganz knapp durch das Becken geht, wenn ich sie dem Wissen entsprechend durch führe. Das heisst; beim Beckeneingang ist der Rücken auf einer Seite, wenn sie tiefer kommt, muss ich den Rücken nach vorne drehen und dann, damit die Puppe durch das Becken raus kommt, muss ich schauen, dass der Kopf schön eingerollt ist (Kinn zur Brust) und so lange wie möglich in die Richtung des Steissbeins schieben. Erst dann kann sich der Kopf entrollen und kommt so in der vorderen Oeffnung heraus.

Ich erkläre dies den Frauen immer mit einem Lastwagen, der eine enge Kurve machen muss, der muss zuerst auf die Gegenfahrbahn um dann auf die andere Seite einbiegen zu können. Genau so läuft es unter der Geburt ab. Das Baby muss zuerst ganz in die Richtung des Steissbeins, bevor es durch das Kopfstrecken vorne bei der Vagina raus kommen kann.

Diese Phase ist sehr heikel, das Baby hat nur Platz im hinteren Teil um da den Kopf von der Beugung in eine Streckung zu bringen.

Deshalb finde ich es ganz falsch, dass oft in diesem Moment, eine Frau angeleitet wird zu Pressen. Das Pressen macht nicht nur die Muskeln hart, es ist auch so, dass jede Frau ihr Baby nach vorne schieben will und tut. Somit schiebt sie ihr Baby in die Enge des Beckenausganges. Der Lastwagen wird jetzt ausscheren und wahrscheinlich einen Teil der innen Kurve mitnehmen. Genau so ergeht es den Babys.

Durch das angeleitete Pressen wird jede Mutter das Baby zu früh und falsch begleiten. Wenn die Geburtshelfer warten und die Frau keine falschen Vorstellungen hat, durch Filme oder Erzählungen, würde sie niemals ihr Kind herauspressen. Sie würde in sich spüren und ihr Kind gebären. Wie das sonst alle Säugetiere machen.

Ich hatte mit einem Paar eine wunderbare Gebursbegleitung durch die Haptonomie. Es war bereits das dritte Baby mit dem die beiden bei mir in die Haptonomie kamen. Die Frau hatte immer einen sehr zärtlichen Kontakt zum Baby und sie leitete ihren Mann und mich wunderbar an wohin wir das Baby einladen sollten damit sie es wieder besser in sich tragen konnte. Später, bei der Geburt, war ich nicht dabei aber die Frau hat mir erzählt, dass sie auch unter der Geburt diesen Kontakt nicht verloren hat. Sie hat immer genau gespürt wo das Baby in ihrem Becken ist. In der Endphase war nicht nur die Hebamme sondern auch der Arzt anwesend. Dieser hat sie aufgefordert zu Pressen. Die Gebärende hat ihm versichert, dass  das Baby noch nicht so weit im Becken hinten sei und sie nicht pressen wolle. Sie musste sich wehren, damit sie sich ganz dem Baby öffnen konnte ohne zu pressen. Drei Wehen und dann hat das Baby in Begleitung mit der Mama die Kurve gemacht und kam ganz sanft auf die Welt.

Im Geburtsbericht stand: Eröffungsphase 1 h und 1 Minute, Austreibungsphase 7 Minuten.
(Für die Endphase wird in der Geburtshilfe das Wort Austreibungsphase verwendet!).

Aber die Frau ihr Mann und auch ich wissen, dass sie ihr Kind nicht herausgetrieben hat, sondern dass sie das Baby geboren hat.


3 Kommentare:

  1. Unser zweites Kind kam auch (fast) ohne Pressen auf die Welt und ich habe auch merken können, ob und wie es sich vorwärtsbewegte oder nicht. Es war nicht anstrengender als mit Pressen und fürs Kind wahrscheinlich viel angenehmer weil es in seinem Tempo stattfand.
    Danke für diesen wunderbaren Blog!
    Liebe Grüße Dana

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  2. Liebe Frau Prada
    Ich liebe ihren Blog und wuerde mir wuenschen das es auch hier in meiner Umgebung mehr von Hebammen wie Ihnen geben wuerde.
    Leider ist dies bei mir in Deutschland nicht der Fall. Aber haette ich eine Hebamme wie Sie, wuerde ich ohne zu zoegern eine Hausgeburt anstreben.
    Machen Sie weiter so mit Ihrem Blog :-)
    LG
    Christin

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  3. Frau Prader, auch ich finde ihren Blog sehr interessant und spannend...
    Ich hatte eine eher lange Austreibungsphase und schließlich eine VE, also kam ich selbst mit meinem Kind nicht zu diesem Punkt.
    Während diesem oben benannten Moment hat man trotzdem einen Pressdrang? Ich fand es schwierig diesem Drang bewusst zu entziehen und kann mir das nicht so richtig vorstellen?!

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