Sonntag, 2. Oktober 2016

Brief eines Vaters

Ein ehrlicher Brief an alle Papas da draußen,
Ihr kommt von der Arbeit nach Hause. Euer kleiner Stöpsel hat euch sicherlich schon vermisst. Genauso wie Ihr ihn. Wenn ihr jetzt ins Wohnzimmer tretet, wird er Euch mit offenen Armen begrüßen. Fröhlich. Glücklich. Ihr habt Euch schließlich den ganzen Tag nicht gesehen.
Ihr merkt, dass Ihr leicht aufgeregt seid und betretet das Wohnzimmer. Da sitzt er. Er ist vertieft in sein Buch über den Bauernhof. Ihr ruft seinen Namen.
"Paul. Papa ist daaa!" Er dreht sich kurz um. Lächelt, widmet sich aber dann sofort wieder den eierlegenden Hühnern. 
Na, toll! Was soll das denn? So, habt Ihr Euch das nicht vorgestellt. Mag er Euch nicht mehr? Ist er sauer? Hilfe! Das ist doch nicht normal. Bei anderen Vätern, freuen sich die Kinder doch immer, wenn Papi nach Hause kommt. Das hört Ihr immer wieder. Das erzählen Euch befreundete Elternpaare jedes Mal. Voller Stolz. Und auf Facebook seht Ihr das sogar. Hunderte Videos mit Tausenden Likes. Kleine Babys, die aufgeregt am Fenster hüpfen, nur weil sie Papas Auto vorfahren sehen. Und Euer Kind? Sitzt da und ignoriert Euch nahezu. 
Mit diesem Brief möchte ich euch etwas gestehen, dass ihr in den Bilderbucherzählungen vieler Eltern eigentlich nie hört: Manchmal habe ich das Gefühl, mein Kind hat mich nicht vermisst. Natürlich freut sich Paul, wenn ich nach vielen Stunden wieder bei ihm bin. Es gibt aber auch Tage, da scheint ihn meine Abwesenheit garnicht zu kümmern. 
Anfangs versuchte ich die Freude bei Paul, ja, quasi zu erkaufen, indem ich ihm Geschenke nach der Arbeit mitbrachte. Ich ließ mich von meiner Angst treiben. Angst ist grundsätzlich ein schlechter Berater. Irgendwann begriff ich jedoch, dass Paul dies gar nicht brauchte. Er brauchte meine Geduld. Meine Zeit. Und meine Liebe. Seitdem bin ich nicht mehr enttäuscht, wenn Paul mich nicht freudestrahlend begrüsst. Ich kaufe ihm keine Geschenke um mich gut zu stellen. Ich setzte mich zu ihm und mache die Tiergeräusche auf dem Bauernhof einfach nach. Muuuuhhh. 
Liebe Papas, wenn Ihr dieses Gefühl kennt, möchte ich Euch sagen, dass Ihr euch keine Sorgen machen müsst. Kauft Eurem Stöpsel keine Geschenke, sondern schenkt ihm Eure Zeit. Ich verspreche Euch, eines Tages, wird er dann auch hüpfend vor dem Fenster stehen. Gerade dann, wenn Ihr es nicht erwartet.
Markus Brandl
PS.: Natürlich dürft Ihr den Brief teilen, damit auch andere Papas den Brief lesen können.